Die Initiative 19. Februar Hanau ruft zu Spenden auf, um in Hanau, in der Nähe zu einem der Tatorte eine Anlaufstelle zu betreiben.
Erinnern heißt verändern: Am Heumarkt in Hanau eröffnen wir heute, am 05. Mai 2020 offiziell unsere Anlaufstelle. Trotz Corona haben wir in den letzten Wochen renoviert und geplant, nun ist es soweit. Der Raum kostet uns etwa 2500 Euro im Monat und der Vertrag läuft drei Jahre – mindestens. Denn Erinnerung und Veränderung sind eine Sache von vielen gemeinsamen Jahren. Dafür bitten wir mit einer Spendenkampagne um Unterstützung.
Am 19. Februar 2020 wurden in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet. Der Täter verletzte nicht nur viele weitere, die Tat brach unzähligen Menschen das Herz. Gemeinsam schaffen wir jetzt einen Raum der Begegnung, der Erinnerung und des Vertrauens. Eine Anlaufstelle für Beratung und Vernetzung, für Unterstützung und neue Kraft. Ein Treffpunkt, in dem geschützt oder öffentlich über Trauer, über Rassismus-Erfahrungen und über Solidarität gesprochen werden kann.
140 qm in der Krämerstrasse 24, die für alles genutzt werden können, was Angehörige, Freunde und Betroffene von Rassismus in Hanau jetzt brauchen und wollen. Wir wollen diesen Raum mit allen gestalten, egal welchen Pass, welche Hautfarbe oder welche Religion wir haben. Wir halten die Erinnerung lebendig, wir fordern Aufklärung und Gerechtigkeit.
Studierende der Universität Augsburg haben ein Blogprojekt auf die Beine gestellt: Postcolonial realities beschäftigt sich auf vielfältige Art und Weise mit Facetten und Wirkungsbereichen des Postkolonialismus in heutigen Gesellschaften. Im Seminar “Rassismus. Macht. Privilegien.” des Lehrstuhls für Europäische Ethnologie/Volkskunde an … Continue reading →
Mit dieser Petition fordere ich die Stadt München auf, nicht nur Straßen mit nationalsozialistischen Namen, sondern auch mit belasteten Kolonialnamen in München umzubenennen.“
Ein Marathonabend der Visionen, Analysen, Erklärungen, performativen Beiträge und Gespräche, zeitgleich und in Reaktion auf die Münchner Sicherheitskonferenz.
Am 12. Dezember 2019 waren die Herero-Aktivistin Esther Muinjangue und die Nama-Aktivistin Sima Luipert aus Namibia bei uns in München zu Gast. Zwei Radiobeiträge im Bayerischen Rundfunk haben sich mit den Geschichten und Forderungen der beiden befasst:
Am 12.12. waren die Herero-Aktivistin Esther Muinjangue und die Nama-Aktivistin Sima Luipert zu Besuch in München. Sie hatten ein volles Programm. U.a. fanden Treffen mit Studierenden der LMU und mit dem Museum Fünf Kontinente statt. Nachmittags haben wir an der Straßenecke Hererostraße/ Waterbergstraße in München-Trudering gemeinsam für die Umbenennung der Kolonialstraßen demonstriert.
Sima Luipert, die Urgroßnichte von Cornelius Fredericks, trug ein Straßenschild mit einem konkreten Alternativvorschlag – eine Straße sollte nach ihrem Urgroßonkel benannt werden. In einer bewegenden Rede wies sie darauf hin, dass der Schädel von Fredericks sich noch in Deutschland befinde, sie wisse aber nicht, wo. Bis er beerdigt sei, können weder die Seelen der Opfer noch die der Täter zur Ruhe kommen, sagte sie. Wir sagen NEIN zu Straßen, die Namen von Rassisten und Mördern tragen!
Abends fand eine öffentliche Veranstaltung im Saal des Münchner Stadtmuseums statt. Gemeinsam mit zahlreichen Besucher*innen forderten die Aktivistinnen die Umbenennung der Münchner Kolonialstraßen.
Am 12.12. waren die Herero-Aktivistin Esther Muinjangue und die Nama-Aktivistin Sima Luipert zu Besuch in München. Sie hatten ein volles Programm. U.a. fanden Treffen mit Studierenden der LMU und mit dem Museum Fünf Kontinente statt. Nachmittags haben wir an der Straßenecke Hererostraße/ Waterbergstraße in München-Trudering gemeinsam für die Umbenennung der Kolonialstraßen demonstriert.
Sima Luipert, die Urgroßnichte von Cornelius Fredericks, trug ein Straßenschild mit einem konkreten Alternativvorschlag – eine Straße sollte nach ihrem Urgroßonkel benannt werden. In einer bewegenden Rede wies sie darauf hin, dass der Schädel von Fredericks sich noch in Deutschland befinde, sie wisse aber nicht, wo. Bis er beerdigt sei, können weder die Seelen der Opfer noch die der Täter zur Ruhe kommen, sagte sie. Wir sagen NEIN zu Straßen, die Namen von Rassisten und Mördern tragen!
Abends fand eine öffentliche Veranstaltung im Saal des Münchner Stadtmuseums statt. Gemeinsam mit zahlreichen Besucher*innen forderten die Aktivistinnen die Umbenennung der Münchner Kolonialstraßen.
(aktualisierte Version eines Textes, den wir bereits 2011 auf diesem Blog veröffentlicht hatten)
Gut gebrüllt, denkt sich der Betrachter beim Anblick der Löwin, die vor der Tierärztlichen Fakultät in der Veterinärstr. 13 steht. Die wuchtige Bronzeplastik stammt von dem über viele Jahrzehnte in München ansässigen Bildhauer Fritz Behn. Die bayerische Metropole beherbergt weitere Werke des Künstlers, so im Tierpark Hellabrunn, wo ebenfalls eine Löwenfigur steht. In den Beständen der Städtischen Galerie im Lenbachhaus finden sich die Kleinplastiken eines „Afrikaners“ und eines „Massai“.[1]
Die
Inspiration für diese und viele weitere Werke erhielt Behn auf seinen Reisen, die er nach „Deutsch-Ostafrika“
unternommen hatte. Über dessen Expeditionen in der Kolonie erschien in der
Zeitschrift ‚Kolonie und Heimat’ im Jahr
1911 ein Artikel.[2] In dem „Koloniale
Plastik“ betitelten Bericht heißt es, Behn habe auf seinen Reisen die „koloniale Tierwelt“ in ihrer Freiheit
und Wildheit erleben können. Neben Abbildungen seiner bronzenen Tierplastiken
wird dem Leser auch ein Blick in sein Münchener Atelier gewährt. Die Aufnahme
mit Gipsabgüssen von Nashörnern, Büffeln und Antilopen zeigt, wie die Fremde,
hier in Gestalt der afrikanischen Großtierfauna, Einzug in dessen
Künstlerwerkstatt gehalten hat.
Die Rezeption der Werke von Fritz Behn als „koloniale“ Kunst wirft
Fragen auf. Welche Rolle spielte der Bildhauer innerhalb der deutschen
Kolonialbewegung und ganz allgemein, welche Rolle kam der bildenden Kunst im
Kontext des Kolonialismus zu?[3] Was Letzteres betrifft, so ist
diesem Gegenstand – ganz im Gegensatz etwa zur Literatur – bisher in der kunst-
und kulturhistorischen Forschung vergleichsweise wenig Beachtung geschenkt
worden. Schaut man in das Buch „Orientalism“
(1978) von Edward W. Said, dem Gründungsdokument postkolonialer Theoriebildung,
so bleiben dort die bildenden Künste unberücksichtigt.[4] Anlass über das
Verhältnis von Kunst im Kolonialismus nachzudenken, bot die Ausstellung „Artist
and Empire“, die zur Jahreswende 2015/16 in der Tate Britain in London gezeigt
wurde.[5] Zuletzt sind einige der afrikanischen Plastiken von Behn
in der Ausstellung „Inspiration Afrika. Ein Kontinent im Blick der deutschen
Bildhauerei im 20. Jahrhundert“ im Kunsthaus Dahlem in Berlin zu sehen gewesen.[6] Die Berliner Ausstellung interessierte sich nicht für die
schon vielfach diskutierte Rezeption des Primitivismus in der europäischen
Moderne, sondern konzentrierte sich auf die Art und Weise, wie Künstler
„Afrika“ wahrnehmen, fiktionalisieren oder ästhetisieren. Postkoloniale Fragestellungen bedeuten nicht nur für die
Geschichtswissenschaft, sondern auch für die Kunstgeschichtsschreibung eine
Grundlagenreflexion, ist sie doch „bis in die Gegenwart hinein eng mit
kolonialistischen Ordnungsmustern, Wertungen und Repräsentationsformen
verknüpft.“[7] Für eine noch in den Anfängen steckende Dekolonisierung der
visuellen Kultur hat Viktoria Schmidt-Linsenhoff mit ihrer „Ästhetik der
Differenz“ wichtige Anregungen gegeben.[8]
Fritz Behn (1878 in Klein Grabow, Mecklenburg-Vorpommern – 1970 in München) gehört zu den
profiliertesten deutschen Tierbildhauern des 20. Jahrhunderts.[9] Schon im Alter von 31 Jahren war er vom bayerischen Prinzregenten Luitpold zum damals
jüngsten Professor Bayerns ernannt worden. Die Tierwelt Afrikas stand zeitlebens im Mittelpunkt seines
künstlerischen Schaffens. Auf drei ausgedehnten, in den Jahren 1907/08, 1909/10
und 1931/32 unternommenen Reisen durch Deutsch-Ostafrika (heute Tansania,
Ruanda und Burundi) und Britisch-Ostafrika (heute Kenia) studierte er ausgiebig
die afrikanische Tierwelt. Die Behn’schen Expeditionen sind ein beredtes
Beispiel für den Eskapismus jener Tage. Wie
andere Künstler seiner Zeit hatte es ihn aus Europa mit seiner „organisierten
Überzivilisation“ in die Exotik der Tropen, in die „Wildnis zu den wilden
Menschen und Tieren“ hinausgezogen. Der „dunkle Kontinent“ erschien ihm
als Hort ungebrochener Vitalität und Ursprünglichkeit. Einmal mehr sollte der
Jungbrunnen „Afrika“ zur Erneuerung der ‚degenerierten’ Kultur des Westens
herhalten. Von dem auf den Reisen erlegten
Großwild fertigte er Gipsabgüsse, die er zu Studienzwecken in seinem Atelier
aufstellte. Behn hielt zeitweise sogar zwei Löwen
in seinem Gartenatelier in der Mandlstraße. Sein umfangreiches Oeuvre umfasst eine Vielzahl von Groß- und
Kleinskulpturen, Löwen, Leoparden, Antilopen, Büffel, Nashörner, Elefanten
darstellend, die Zeugnis von seinen afrikanischen Reisen ablegen. Behn
schwärmte: „Afrika ist vielleicht das Land der Bildhauer“. Die afrikanischen
Kolonien des deutschen Kaiserreichs sah er als „eine ungeheure Fundgrube für
die bildende Kunst, in gewisser Beziehung sogar für einen Jungbrunnen unserer Kunst.“[10]
Vor und nach dem Ersten Weltkrieg stellte sich der Künstler in den Dienst der deutschen Kolonialbewegung. Seit 1911 war er Mitglied in der Deutschen Kolonialgesellschaft (DKG), der führenden kolonialpolitischen Lobbyvereinigung im Deutschen Reich.[11] Die Zeitschrift ‚Der Kolonialdeutsche‘ schrieb im Jahr 1928 anlässlich seines fünfzigsten Geburtstages über die Kunst von Behn, sie stehe „im Dienste der Kolonial-Idee“.[12] Nach Plänen von Behn wurde 1932 in Bremen das von der dortigen Ortsabteilung der DKG gestiftete „Kolonial-Ehrenmal“ errichtet. Das Monument in Gestalt eines über einer Krypta stehenden, fast 10 Meter hohen afrikanischen Elefanten sollte als Mahnmal, als ein Symbol für den anhaltenden Anspruch Deutschlands auf seine durch den Versailler Vertrag (1919) „geraubten“ Kolonialgebiete fungieren.[13] Die Inschrift lautete trotzig: „Unseren Kolonien“. Bei dem in der Hansestadt ausgeführten Denkmal handelt es sich um eine modifizierte Fassung desjenigen Entwurfs, den der Bildhauer 1913/14 für den Wettbewerb zur Errichtung eines Kolonialkriegerdenkmals in Berlin eingereicht und mit dem er seinerzeit den ersten Preis gewonnen hatte. Die Berliner Denkmalsplanungen waren jedoch infolge des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges nicht mehr zur Ausführung gelangt. Das Monument in Bremen war – neben dem von Adolf Kürle geschaffenen Wissmann-Denkmal in Hamburg – die zentrale Kultstätte in Deutschland, an der die Vertreter der Kolonialbewegung zusammenkamen, um öffentlichkeitswirksam neokoloniale Propaganda zu betreiben.[14]
Das kolonialpolitische Engagement von Behn kam in der Mitarbeit an einem weiteren ehrgeizigen Denkmalprojekt der kolonialrevisionistischen Bewegung zum Ausdruck, dem seit 1930 bei Eisenach geplanten „Reichskolonial-Ehrenmal“. Vorgesehen war ein raumgreifender Memorialkomplex, dessen Zentrum ein „Ehrenhof“ und ein „Mahnmal“ in Form eines als Palme stilisierten, dreißig Meter hohen Obelisken bilden sollte. Der Entwurf für den Obelisken stammte von Behn. Allerdings erwies sich in den folgenden Jahren die Beschaffung von Spendengeldern als nicht zu lösendes Problem, weshalb das von Anfang an überdimensionierte Eisenacher Denkmalprojekt nie über die Planungsphase hinausgelangte.
Behn betätigte sich zudem als Porträtist von
Persönlichkeiten aus der Kolonialpolitik: Darunter gehören eine Bronzebüste von
dem Staatssekretär des Reichskolonialamtes Wilhelm H. Solf, von Wilhelm Arning, Kolonialpolitiker und Leiter der Deutschen
Kolonialschule Witzenhausen oder eine Büste von Paul von
Lettow-Vorbeck, dem „Held von Ostafrika“ und Symbolfigur der deutschen
Kolonialbewegung in den 1920er und 1930er Jahren. Einzelne
seine Plastiken stellte Behn für Kolonialausstellungen zur Verfügung.
In seinen beiden Afrika-Büchern (‘Haizuru…‘ Ein Bildhauer in Afrika [1918]; Kwa Heri – Afrika! Gedanken
im Zelt [1933]), in denen Behn die
Erlebnisse seiner Reisen durch den „dunklen Erdteil“ schildert, äußerte er sich
auch zu kolonialpolitischen Fragen. Er vertrat einen rigiden Herrenstandpunkt:
Die koloniale Vorherrschaft der Europäer sei nur durch eine „strikte Trennung
zwischen Schwarz und Weiß“ aufrechtzuerhalten, „Rassenmischehen“ seien
abzulehnen. „Rassengefühl“, so Behn, „bedeutet hier, wie überall, alles. Unser
weißes Prestige allein setzt uns in den Stand, unsere Kolonien zu halten. Wie
können wir es sonst wagen, mit diesen paar Tausend Europäern, Millionen
Schwarzer im Zaume zu halten? Ein warnendes Beispiel sei uns Amerika, das
längst seine Humanitätsideen in der Negerfrage bereut.“[15] Bezeichnend für Behn als entschiedenen
Verfechter deutscher Kolonialpolitik ist dessen publizistischer Einsatz für den
durch seine Kolonialskandale kompromittierten Karl Peters („Hänge-Peters“), den
er jeglicher Vergehen frei sprach.[16] Beide waren miteinander
bekannt. Behn hatte Peters im Jahr 1906
bei einem Vortrag in München kennengelernt und war nach dieser Begegnung in
seinem Wunsch nach Afrika zu reisen, bestärkt worden. Freundschaftlich verbunden war Behn übrigens auch
mit dem Dachauer Künstlerpaar Walter von Ruckteschell und Clary von Ruckteschell-Trueb. Der Malerbildhauer Ruckteschell
ist während des Ersten Weltkrieges in Deutsch-Ostafrika der Adjudant von
General Paul von Lettow-Vorbeck gewesen.[17]
Ruckteschell war ebenso für die Kolonialbewegung tätig, er schuf das
Deutsch-Ostafrika-Kriegerdenkmal in Hamburg und das Deutsch-Ostafrika-Gedächtnismal
in Aumühle.
Dass Fritz Behn – der ebenso mit
Grabmälern, Brunnenanlagen, Kriegerdenkmälern, Personendenkmälern (u.a. das
Albert-Schweitzer-Denkmal in Günsbach/Elsaß) wie als Zeichner, Maler[18]
und Tierfotograf hervortrat – nach 1945 ignoriert und weitgehend in
Vergessenheit geriet, hängt vor allem mit dessen Werdegang in den Jahren der
nationalsozialistischen Herrschaft zusammen. Der in politischen Fragen
erzkonservative Behn, vertrat schon früh antidemokratische und national-völkische
Positionen. Nach Ausbruch der
November-Revolution 1918/19 und Gründung der Münchner Räterepublik hatte
Behn die Führung des sog. „Bayerischen
Ordnungsblocks“ inne, eine der
Katholischen Bayerischen Volkspartei nahestehende paramilitärische
Organisation. Im Jahr 1928 ist Fritz Behn
Mitunterzeichner des von dem NS-Chefideologen Alfred Rosenberg im Mai des
Jahres erlassenen Aufrufs zur Gründung des „Kampfbundes für deutsche Kultur“. Ende
der 1920er Jahre ist er als „Gelegenheitsberichterstatter“ im Feuilleton des
NS-Kampfblattes ‚Völkischer Beobachter’ tätig. Als erklärter Anti-Modernist wetterte er
fortgesetzt gegen die avantgardistischen Strömungen und gegen das „Chaos der
Kulturzersetzung“.[19]
Behn war befreundet mit dem – ebenfalls
in München lebenden – Kulturphilosophen Oswald Spengler
(1880-1936). Spengler galt in den 1920er Jahre als
Graue Eminenz der süddeutschen Republikfeindschaft und intellektueller Stichwortgeber der sog. „Konservativen
Revolution“. Beide einte die – in
der deutschen Bourgeoisie weit verbreiteten – panischen Untergangsvisionen als
Folge der gehassten „schmutzigen
Revolution“ von 1918/19 und der Wunsch nach einem Herrschaftsstaat mit
starker Führerfigur. Im Monat
von Hitlers Machtübernahme votierte der Monarchist für die Wiedereinsetzung des
bayerischen Königshauses. Aus seiner Sympathie für die Diktatoren Europas
machte er keinen Hehl. Desavouierend bleibt das Buch, in dem Behn die
Entstehung seiner Mussolini-Büste schildert („Bei Mussolini – Eine
Bildnisstudie“ [1934]). Er bringt darin offen sein elitär-demokratiefeindliches
Weltbild zum Ausdruck und verherrlicht den „Duce“ und den italienischen
Faschismus; selbst antisemitische Töne sind in dem Buch zu finden. Weniger bekannt
ist seine Porträtbüste von Hitler, die er später im Auftrag der Lübecker
Handelskammer schuf. Die Professur an der Wiener Kunstakademie, die Behn von
1939 bis 1945 bekleidete, wäre ihm sicherlich nicht ohne seine ideologische
Nähe zum NS-Regime angetragen worden. Behn war mehrfach bei der jährlichen
„Großen Deutschen Kunstausstellung“ im Münchener Haus der Deutschen Kunst, auf
denen den Volksgenossen die offizielle Kunst des „Dritten Reichs“ präsentiert
wurde, mit Arbeiten vertreten. Gleichwohl
spielte er in der Bildhauerei des Dritten Reichs eine nachgeordnete Rolle. Ein Protagonist der NS-Staatskunst war er nicht. Zu seiner
großen Enttäuschung erhielt er keinen einzigen großen repräsentativen Auftrag
von Seiten des NS-Regimes. Die damaligen Machthaber bekundeten ein nur mäßiges
Interesse an seiner Kunst. Lob fand Behn hingegen als kolonialer Künstler, wie
etwa im Jahr 1938, als die ‚Nationalsozialistischen Monatshefte’ ihre Leserschaft wissen ließen, er sei der „der
größte Träger deutscher Kolonialkunst in der Gegenwart“.[20] Das
NS-Magazin vergaß nicht zu erwähnen, dass dessen Afrikafahrten „niemals als
Europamüdigkeit im Sinne volksfremder Landflucht gedeutet werden (könnten). Er
ist auch alles weniger als ein Salonafrikaner, der sich durch Löwenfelle zu
legitimieren sucht.“ Mit einem Künstler wie Behn lerne man in Kontinenten
denken und „zwar gerade auf die eigenen, rassischen und völkischen Lebensfragen
bezogen.“[21] Die Feststellung des NS-Magazins dürfte schon damals bei
Kunstkennern in Zweifel gezogen worden sein, angesichts der Tatsache, dass Behn
ein ausgesprochener Zivilisationsverächter war.
Fritz Behn, einstmals als
„künstlerischer Pionier des deutschen Kolonialgedankens“[22]
gefeiert, lieferte – wie etwa die Maler Wilhelm
Kuhnert (1865-1960) und Ernst Vollbehr (1876-1960) – Bilder des Fremden, nach
denen der Kolonialismus zu seiner Legitimation verlangte. So ist die Tierkunst
von Behn nur vermeintlich unpolitisch gewesen, wie sich überhaupt der Exotismus
im Zeitalter des Imperialismus zunehmend politisiert zeigte. Sie inszenierte
ein Bild der afrikanischen Natur – oder vielmehr das idealisierte Bild einer
imaginären Topographie –, das wesentlich zur emotionalen Besetzung des
Kolonialismus beitrug und damit zur Vereinnahmung der Errungenschaften imperialer
Politik in Übersee. Getrieben von dem Wunsch nach exotistischer Entgrenzung,
mutierten Behns Projektionen von „Wild-Afrika“ zur Chiffre für die Sehnsucht
nach Ursprünglichkeit und Vitalität. In geradezu klassischer Weise verkörpert
Behn den Konflikt zwischen Kultur und Natur. Für ihn repräsentieren die Tropen
die Negation Europas mit seiner verhassten Moderne. Zu einer Öffnung für das
Andere konnte es dabei nicht kommen, ganz zu schweigen von einem „Dialog der
Kulturen“. Die aus dem Jahr 1926 stammende These von Carl Einstein, dass der
angestrengte Exotismus der klassischen Moderne den „expansiven Imperialismus
der Vorkriegszeit“ mit anderen Mitteln fortsetzte, findet in
dessen Werken ihre Bestätigung.[23] Und was das kolonialistische Weltbild von Behn betrifft,
so könnte dieser ähnlich gedacht haben, wie einst Emil Nolde: „Wenn von den
farbigen Eingeborenen aus gesehen, eine Kolonialgeschichte einmal geschrieben
wird, dann dürfen wir weißen Europäer uns verschämt in Höhlen verkriechen. – Es
wird aber nicht geschehen.“[24] Als Zeuge des Zeitalters der Dekolonisation hätte er
jedenfalls – im noch stärkeren Maße als Nolde, der bereits 1956 starb – die
Gelegenheit gehabt, eine solche Aussage zu revidieren.
Bei alledem gelang Behn, der mit seinen überwiegend naturalistischen
Tierdarstellungen, die er mal mehr, mal weniger stilistisch überformte, ein
eigenständiger Beitrag zur Kunstgeschichte. Er kann mit seinem umfänglichen
Werk von Tierskulpturen zu den wichtigsten deutschen Animaliers des 20.
Jahrhunderts gezählt werden. Er gehört zu jener Riege von Bildhauern, die der
autonomen Tierskulptur in Deutschland zum Durchbruch verhalf. Gleichwohl wird Fritz Behn, der heute
bei vielen Kritikern in Ungnade gefallen ist, auch weiterhin die Gemüter
polarisieren. Behn war eine schillernde
Künstlerpersönlichkeit, der sich dem Bannkreis des Imperialismus eben so wenig
zu entziehen vermochte wie dem Faschismus. Bis heute sieht sich der Monarchist
und Republikgegner Vorbehalten ausgesetzt, welche – abgesehen von seinem
kolonialen Herrenmenschentum – aus seinen Verstrickungen in den
Nationalsozialismus resultieren. Der Ruf, ein „Nazi-Bildhauer“ gewesen zu sein,
war der Grund, warum ihn die Kunst- und Kulturgeschichte lange ignorierte.
Das Desinteresse an seiner Kunst zeigte sich zuletzt im Jahr
2006, als das 1973 eingerichtete Fritz-Behn-Museum in Bad Dürrheim/Schwarzwald aufgelöst und die ca. 300 Werke der Sammlung von einem
Münchener Auktionshaus versteigert wurden.[25] Erst langsam setzt eine
kritische Auseinandersetzung mit seiner Person und seinem Werk ein.[26]
Literatur:
Artist and Empire. Facing Britain’s
Imperial Past, Alison Smith, David Blayney Brown, Carol Jacobi (Eds.), Tate Publishing,
Tate Britain, London 2015 (Katalog).
Einstein, Carl: Die Kunst der 20.
Jahrhunderts, Leipzig 1988 (zuerst 1926).
Karentzos, Alexandra: Postkoloniale
Kunstgeschichte. Revisionen von Musealisierung, Kanonisierung,
Repräsentationen, in: Julia Reuter / Alexandra Karentzos (Hg.): Schlüsselwerke
des Postcolonial Studies, Wiesbaden 2012, S. 249-266.
Neumeisters Moderne, Sonderauktion Fritz Behn (1878-1970), Nachlass
Sammlung Fritz Kiehn, 14. November 2007, Neumeister Münchener Kunstauktionshaus
GmbH & Co. KG, München 2007.
Rees, Joachim: Nachtzug nach Neuguinea.
Emil Noldes Reise durch Südostasien, in: ders.: Künstler auf Reisen. Von
Albrecht Dürer bis Emil Nolde, Darmstadt 2010, S. 189-200.
Said,
Edward W.: Orientalism, New York 1978 (dt. Ausgabe:
Orientalismus, Frankfurt/M. u.a. 1981).
Said,
Edward W.: Culture and Imperialism, London
1993 (dt. Ausgabe: Kultur und Imperialismus. Einbildungskraft und Politik im
Zeitalter der Macht, Frankfurt/M. 1994).
Schmidt, Hugo (Hg.): Fritz Behn als Tierplastiker, München
1922.
Schmidt-Linsenhoff, Viktoria: Ästhetik der
Differenz. Postkoloniale Perspektiven vom 16. bis 21. Jahrhundert, Marburg 2014
(2. Aufl.), 2 Bde.
Speitkamp, Winfried: Kolonialherrschaft und Denkmal. Afrikanische und
deutsche Erinnerungskultur im Konflikt, in: Wolfram Martini (Hg.): Architektur
und Erinnerung, Göttingen 2000, S. 165-190.
Zeller, Joachim:
Wilde Moderne. Der Bildhauer Fritz Behn (1878-1970), Berlin 2016a.
Zeller, Joachim:
Kunst und Kolonialismus. Das Afrikabild des Bildhauers Fritz Behn, in: Jahrbuch
für Europäische Überseegeschichte 16 (2016), Wiesbaden 2016b, S. 135-158.
Zeller,
Joachim: (Post-)Koloniale
Gedächtnistopographien in Deutschland. Möglichkeiten und Grenzen einer
„Dekolonisation der Kolonisierer“, in:Marianne
Bechhaus-Gerst / Joachim Zeller(Hg.): Deutschland postkolonial? Die Gegenwart der imperialen
Vergangenheit, Berlin 2018, S. 336-365.
[1]Weitere Werke von Fritz Behn in München: „Oberländer Stier“ im Tierpark Hellabrunn, Gruppe „Kraft“
im Ausstellungspark Theresienhöhe, Bismarck-Denkmal am Isarkai, Grabmäler auf Friedhöfen, Kleinplastiken im Stadtmuseum.
[2] Anonymus: Koloniale
Plastik, in: Kolonie und Heimat in Wort und Bild, IV, 1910/11, Nr. 49, S. 5.
[4] Said 1978. Said
entlarvt den abendländischen Orientalismus als Projektion kolonialer
Herrschaftsphantasien, doch habe er dabei ungewollt, so seine Kritiker, die
koloniale Grenzziehung zwischen dem „Westen“ und dem „Rest der Welt“ wiederholt.
Siehe auch ders. 1993.
[11] Was sein sonstiges Engagement in kolonialen Verbänden betrifft, so war
Behn nach eigener Aussage seit 1939 künstlerischer Berater der Bundesleitung im
Reichskolonialbund.
[12] Vgl. Anonymus:
Die Kunst im Dienste der Kolonial-Idee. Fritz Behn zum 50. Geburtstag,
in: Der Kolonialdeutsche 1928, S. 225.
[13] Das Motiv des Elefanten
verwendete Behn auch für die Plakette,
die er 1934 für die jährliche Tagung des Reichskolonialbundes gestaltete. Siehe
Zeller, Joachim: (Post-)Koloniale Monumente. Denkmalinitiativen erinnern an die
imperiale Übersee-Expansion Deutschlands, in: http://afrika-hamburg.de/denkmal5.html.
[15] Behn, Fritz: „Haizuru…“ Ein
Bildhauer in Afrika, München 1917, S. 48. Siehe auch ders.: Zur Frage der Mischehen,
in: Süddeutsche Monatshefte, Oktober 1912, S. 155 f.
[16] Behn, Fritz: Carl Peters. Ein
deutsches Schicksal, in: Süddeutsche Monatshefte, April 1917, S. 125-139;
ders.: Drei Briefe von Carl Peters, in: ebd., September 1928, S. 937-940.
[17] Für die Erinnerungsbücher, die Lettow-Vorbeck in den folgenden Jahren
veröffentlichte, lieferte Ruckteschell die Illustrationen. In der neueren
Forschung geht man davon aus, dass Ruckteschell als „Ghostwriter“ dessen
populärstes Buch „Heia Safari! Deutschlands Kampf in Ostafrika“ (1920) verfasst
hat, somit als eigentlicher Autor des Buches zu betrachten ist. Siehe u.a.: Walter von Ruckteschell 1882-1941. Eine Ausstellung des Zweckverbandes Dachauer
Galerien und Museen, 18. November 1993 bis 15. Januar 1994, Katalogtext v.
Birgitta Unger-Richter, Dachau 1993.
[18]Wilke, Sabine: Romantic Images of Africa. Paradigms of German Colonial
Paintings, in: German Studies Review 29/2, 2006, S. 285-298.
[19] Im Chaos der Kulturzersetzung,
Vortrag von Fritz Behn, in: Völkischer Beobachter, 4.3.1931.
[20] Anonymus: Tatmensch und Künstler – Fritz Behn, in:
Nationalsozialistische Monatshefte 1938, S. 1106-1111, hier 1109.
[24] Zit. n. Rees 2010, S. 195. Rees spricht von einer „Komplizenschaft“ Noldes mit
dem kolonialen Machtapparat des Kaiserreichs, die sich aus seiner Teilnahme an
einer vom Reichskolonialamt organisierten Reise nach Neuguinea ergeben habe
(ebd., S. 196).
[25] Neumeisters Moderne 2007. Die meisten
Arbeiten gelangten in die private Sammlung von Karl H. Knauf in Berlin.
Die Kolleg*innen von Augsburg postkolonial organisieren in Kooperation mit einigen anderen Gruppen eine Veranstaltung:
Im ersten Weltkrieg verlor Deutschland „seine“ Kolonien, dazu gehörte
auch Kamerun, wo bis 1916 gekämpft wurde. Die deutschen Soldaten
gerieten in Kriegsgefangenschaft, die Augsburger Presse berichtete.
Vielleicht hatte Brecht das vor Augen, als er in seinem Drama „Trommeln in der Nacht“
den Kriegsheimkehrer Andreas Kragler aus Afrika kommen ließ. Es gab
auch direkte persönliche und geschäftliche Beziehungen zwischen Augsburg
und Kamerun. Heute sind die gewaltsame Aneignung und Ausbeutung dieser
Kolonie durch Deutschland hier weitgehend vergessen.
Der Musiker Njamy Sitson präsentiert Musik und Erzählungen aus Kamerun.
Philipp Bernhard und Claas Henschel (Universität Augsburg)
skizzieren die durch den Kolonialismus gebotenen Karrierechancen für
Siedler, Soldaten und Wissenschaftler.
Jean-Pierre Félix-Eyoum (Großneffe des von den Deutschen
hingerichteten Königs der Duala, Rudolf Manga Bell) spricht über seinen
berühmten Vorfahren.
Jean-Pierre Bamy Bamy schildert seine Erfahrungen als Kameruner in Deutschland.
Michael Friedrichs (Brechtkreis) stellt einige Augsburger mit
persönlichen Verbindungen zur Kolonie Kamerun vor, u.a. den Augsburger
Kaufmann Eugen Kundt.
Eintritt 10 € | erm. 8 € (Abendkasse und Vorverkauf im Brechtshop)
In Kooperation mit dem Brechtkreis Augsburg e.V. im Rahmen der Afrikanischen Wochen Augsburg
29. November 2019 – 19.00 Uhr – evangelisches Forum Annahof
Veranstaltung mit den Aktivistinnen Esther Utjiua Muinjangue und Sima Deidre Luipert aus Namibia. Am 12.12.2019 um 19.30 im Saal des Münchner Stadtmuseums
Deutschlands kolonialer Genozid 1904-08 im heutigen Namibia betraf neben den widerständigen Männern besonders auch Frauen und Kinder, die in der Omaheke/Kalahari Region verdursteten oder in Konzentrationslagern zu Tode gequält wurden. Die prominenten Ovaherero- und Nama-Aktivistinnen Esther Utjiua Muinjangue und Sima Deidre Luipert berichten über den opferreichen Widerstand der Frauen und über ihre Rolle im anhaltenden Kampf für eine Anerkennung des Völkermords durch den Deutschen Bundestag. Sie erklären, warum die direkt vom Völkermord betroffenen Gemeinschaften von Deutschland eine offizielle Entschuldigung und Entschädigung verlangen. Esther Utjiua Muinjangue ist Vorsitzende der Ovaherero Genocide Foundation (OGF) und Präsidentin der Partei National Unity Democratic Organisation (NUDO) und Sima Deidre Luipert ist Menschenrechtsaktivistin und Vizevorsitzende des Genocide Technical Committee der Nama Traditional Leaders Association (NTLA).